30.03Können sich Wiesbadens Kultureinrichtungen erholen? Was brauchen die Künstler: innen, um zu überleben? Wie sieht die Kulturlandschaft 2020 aus?
Wolfgang Vielsack, Intendant des kuenstlerhaus43 und der Sommerfestspiele - zu Gast bei der Wiesbadener Senioren-Union. - „Kultur macht den Menschen erst zum Menschen“, so Wolfgang Vielsack, „diese gilt es, besonders in diesen schwierigen Zeiten, zu schützen und zu pflegen.“ So das Credo von Wolfgang Vielsack bei seinen Ausführungen gleich am Anfang einer virtuellen Veranstaltung der Wiesbadener Senioren-Union.
Positiv und dankbar betont er zu Beginn seiner Ausführungen, dass die Stadt Wiesbaden, trotz fehlender Auftrittsmöglichkeiten, die bisherigen institutionellen Zuschüsse an die Kulturbetriebe in voller Höhe beibehalten hat. So konnte der finanzielle Zusammenbruch verhindern werden. Es bleibt zu hoffen, dass diese Bereitschaft auch im zweiten oder ggf. dritten Jahr der Einschränkungen nicht abreißt. Aber Geld allein, kann die Kulturszene nicht am Leben erhalten. Was jetzt vor allem auch fehlt ist eine zeitnahe Öffnungsperspektive. „Ob dann allerdings tatsächlich gleich Zuschauer in die Spielorte strömen“, so Vielsack, „steht auf einem anderen Blatt. Die sich ständig ändernden Verordnungen zur Kontaktvermeidung, sorgen zudem zu einer weiteren Verunsicherung der Zuschauer.“
Wolfgang Vielsack stellt einige Problemfelder dar, die ihm bzw. den meisten Kulturbetrieben der Landeshauptstadt große Sorgen bereiten:
• Personal wandert ab: Da es kaum finanzielle Perspektiven im Kulturbereich gibt, wandert sowohl technisches Personal, aber auch Künstler: innen ab, und suchen sich vermeintlich sichere Arbeitsplätze in anderen Berufsfeldern.
• Spielstätten zu klein: Die meisten freien Spielstätten (thalhaus, Theater im Pariser Hof, Velvets, kuenstlerhaus43, Kammerspiele, Akzenttheater…) sind unter „Corona Bedingungen“ zu klein. So fehlen zusätzliche Spielorte, um sich den Wiesbadenern noch besser und vielfältiger präsentieren zu können. Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist das „LiLi“ im Liliencarre, wo das Kulturamt nun für ein Jahr große Räume für die freie Szene angemietet hat. Ebenfalls ein Lichtblick ist, dass das kuenstlerhaus43 im Palasthotel einen Interims-Spielort gefunden hat.
• Kostüme und Requisiten: Im Bereich der Kostüm- und Requisitbeschaffungen, für die Inszenierungen der kleinen Bühnen, wäre eine noch bessere Zusammenarbeit mit dem Hessischen Staattheater wünschenswert. Aktuell ist es teilweise schwierig oder unmöglich, Kostüme oder Requisiten aus deren Fundus auszuleihen.
• Theater brauchen Vorlaufszeit: Theater sind keine Kneipen oder Ladengeschäfte, in die man am ersten Tag nach dem Lockdown einströmen kann. Denn Theater verkaufen nicht täglich dieselben Stücke, sondern erfinden sich immer wieder neu; reagieren auf die gesellschaftlichen Umstände. Deshalb brauchen Theater normalerweise Wochen oder gar Monate Vorlaufzeit für Proben, Werbung und Marketing. Außerdem gehen die wenigsten Menschen spontan ins Theater. Dass die Mehrzahl der Theaterbesucher Ü50 sind und so zu einer besonderen Risikogruppe gehören, macht die Situation nicht einfacher.
• Testen, impfen, testen…? Die Kosten für die erforderlichen hygienischen Maßnahmen und für Schnelltests erfordern zusätzlichen finanziellen und logistischen Einsatz. Man kann diese Kosten aber nicht einfach auf die Theaterkarte aufschlagen. Erfreulich: Rainer Pfeifer, Vorstandsmitglied der Wiesbadener Senioren-Union, spendete spontan (aus privaten Mitteln) dem kuenstlerhaus43 den Betrag, um 50 Schnelltests für die erste Aufführung nach der Wiedereröffnung anzuschaffen.
• Kultur erhalten kommt günstiger als neu starten. Wenn auf Grund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie Spielstätten wegbrechen, gibt es auch weniger Arbeitsmöglichkeiten für Künstler: innen. Diese Spielstätten sind diese nicht einfach zu ersetzen. Ein Startup Unternehmen im Kulturbereich braucht nach aller Erfahrung bis zu 3-5 Jahre, ehe es sich im Bewusstsein der Einwohner und Medien etabliert hat. Unter Corona Bedingungen ein fast aussichtsloses Unterfangen.
Eine Veranstaltung, die den Teilnehmern im Vortrag und der sich anschließenden lebhaften Diskussion, einen tiefen Einblick in die Arbeitsbedingungen und Nöte der kleinen Bühnen aufzeigte.

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